Ein Song und seine Bedeutung: King von Florence + The Machine
Während mein eigener Podcast Venus Codes gerade pausiert, durfte ich kürzlich eine ganz besondere Folge für einen anderen spannenden Podcast mitgestalten. Im Podcast 7 Tage 1 Song von Christoph Borries gibt es jede Woche eine Folge über einen Song und drei Gedanken dazu.
Vor ein paar Monaten lud Christoph, der wiederum über eine meiner Podcast-Gästinnen auf mich gekommen war, mich dazu ein, eine Folge für seinen Podcast zu gestalten. Da ich ein absoluter Musikgeek bin, ließ ich mich nicht lange bitten; und welchem Song ich mich widmen würde, war mir auch sofort klar: King von Florence + The Machine.
Das 2022er Album Dance Fever, dessen Opener King ist, hatte ich mir zu dem Zeitpunkt gerade erst gekauft, und King hatte mich beim ersten (bewussten) Hören sofort total berührt und energetisch mitgenommen.
Weil ich diesen Song eben so bedeutungsvoll finde und er außerdem total viel mit den Themen meiner Arbeit zu tun hat, möchte ich hier mein Script und die fertige Podcastfolge mit Dir teilen.
Die Folge zu scripten war übrigens auch eine total neue Erfahrung für mich, gegen die ich mich ursprünglich erstmal gewehrt habe. Ich spreche immer lieber frei. Aber ich hab dann gemerkt: Wenn ich so viele Infos in so kurze Zeit packen will (es gab eine Zeitvorgabe von Christoph), dann geht es nicht anders. Das hat jetzt den Vorteil, dass ich diesen Beitrag auch hier auf dem Blog mit Dir teilen kann.
Aber nun genug der Vorrede. Bühne frei für…
…die Bedeutung von King von Florence + The Machine
Als ich King, den Opener Song von Florence + The Machines 2022er Album Dance Fever, zum ersten Mal hörte, nahm mich der Song vom ersten Takt an total mit und berührte mich tief. Er fühlte sich an wie eine präzise, extrem poetische Analyse innerer Prozesse, die ich sowohl von mir selbst kenne als auch von den oft sehr feinfühligen, kreativen Frauen, die ich in meiner Arbeit begleite.
„We argue in the kitchen about whether to have children“ – das hört sich zuerst an, als wäre hier die Rede von einer Diskussion zwischen zwei Personen, einem Paar. Doch ich verstehe den ganzen Song als eine Art Selbstgespräch, einen inneren Dialog, den viele kreativ tätige Frauen nur zu gut kennen. Denn wenige Zeilen später singt Florence Welch: “But you need your rotten heart, your dazzling pain like diamond rings. You need to go to war to find material to sing.” – Du musst in den Krieg ziehen, um Material für Deine Songs zu finden.
Der Krieg ist hier für mich die Konfrontation mit Wunden und Schatten, die wir alle mit uns herumtragen, eine Konfrontation mit unseren inneren Dämonen, die auch Florence Welch schon mehrfach besungen hat, zum Beispiel in ihrem großen Hit Shake It Out von 2011. Für mich ist King eine liebevoll ironische und gleichzeitig bejahende Analyse einer gewissen Selbstbezogenheit und tiefen Selbstreflektion, die meiner Meinung nach nötig ist, um kreative Werke zu schaffen, die andere Menschen in der Tiefe berühren.
Eine feministische Proklamation
„I am no mother, I am no bride, I am king“, so proklamiert es Florence Welch neun Mal in diesem Song. Der Wert von Frauen wurde in patriarchal geprägten Gesellschaften in der Regel an ihrer Bezogenheit auf männliche Personen gemessen: Wessen Mutter, wessen Braut oder wessen Tochter ist sie? Auch wenn es im Song für mich durchaus eine selbstironische Komponente gibt: Mit dem hier so ausdrücklichen und prominent platzierten „I am no mother, I am no bride, I am king“ gibt die Künstlerin sich selbst und uns Frauen, die diese inneren Dialoge nachfühlen können, die Erlaubnis zur Selbstbezogenheit.
Wir müssen nichts für niemanden sein, wir müssen niemandes Mutter oder Braut sein, wir dürfen uns selbst einfach zum „King“ in unserem Leben deklarieren und unsere eigene Entfaltung im Leben verfolgen – eine Haltung, die vielen Männern und männlich konditionierten Personen ganz selbstverständlich mit auf den Lebensweg gegeben wird – und bei Frauen oft immer noch als radikal angesehen wird, wie viele gesellschaftliche Diskurse zeigen.
Die innere Zerrissenheit einer Künstlerin in ihren 30ern
Als Christoph mich einlud, eine Folge von 7 Tage 1 Song mitzugestalten, musste ich nicht lange überlegen. Mir war klar, dass ich über King, diesen super kraftvollen Song, sprechen wollen würde. Daraufhin schickte Christoph mir den Link zu einem Artikel aus einem Musikmagazin, in dem der Song besprochen wurde – und mich traf ein bisschen der Schlag.
Denn dort in diesem Artikel (und auch in weiteren, die ich später gelesen habe) wird der Song so ausgelegt, als ob es darin um ein Hadern mit Rollenbildern, Erwartungen und der leider oft immer noch spezifisch weiblichen Entscheidung zwischen Kindern und Karriere ginge.
Diese Lesart wird im Artikel von einem Zitat von Florence Welch unterstützt, in dem sie explizit die innere Zerrissenheit zwischen ihrer Identität als Künstlerin und ihren persönlichen Entwicklungswünschen benennt und auch betont, dass sich damit für sie nun in ihren 30ern zum ersten Mal eine Kluft zwischen ihr selbst und ihren männlichen Kollegen und Vorbildern auftut, über die sie sich nie zuvor Gedanken gemacht hat. Eine Erfahrung, die viele Frauen auch in unserer scheinbar so gleichberechtigten Gesellschaft immer noch machen.
Für die Künstlerin selbst war der Song also vielleicht gar nicht so eindeutig diese kraftvolle, selbstermächtigende Proklamation, die ich von Anfang an in ihm gehört habe, sondern mehr Ausdruck von und ein Tanz mit ihrer inneren Zerrissenheit. Die wiederum kann ich persönlich gut nachvollziehen, denn ich selbst habe einen jahrelangen inneren Prozess durchlaufen, an dessen vermeintlichen Ende ich vor gar nicht so langer Zeit für mich festgestellt habe, dass ich ziemlich sicher keine leiblichen Kinder haben möchte.
Es wird uns oft immer noch schwergemacht
Als dieser Prozess begann, war ich in etwa so alt wie Florence Welch bei Veröffentlichung des Albums. Ich kann also das innere Ringen gut nachvollziehen, gerade, aber nicht nur als Frau mit besonderen beruflichen Ambitionen.
Unsere Gesellschaft macht es Frauen oft noch immer nicht leicht, diese Entscheidung ganz frei zu fällen. Es gibt noch immer stark wirkende Erwartungshaltungen, strukturelle Benachteiligungen und abwertende Schubladen wie etwa die „Rabenmutter“ oder die „Übermutter“, die es Frauen im strengen Blick gesellschaftlicher Stereotype doppelt schwer machen, eine freie Entscheidung über ihr Lebensmodell zu treffen und dieses dann auch frei von Urteilen zu leben.
So kann Florence mit ihrem Song sicherlich nicht nur künstlerisch tätige Frauen berühren, sondern uns allen, völlig geschlechts- und Gender-unabhängig, wertvolle Denkanstöße schenken.
Alles kann uns ein Spiegel sein
Am Ende nimmt King musikalisch eine unerwartete, nahezu hymnische Wendung, die aus meiner Sicht dafür spricht, dass auch Florence Welch selbst durch die aufreibende Beschäftigung mit dem Thema des Songs letztendlich zu neuer Kraft und Bejahung ihres ganz eigenen Weges gefunden hat und uns diese kraftvolle Energie mitgeben will.
Sie schenkt uns mit der kreativen Verarbeitung ihres eigenen inneren Prozesses ein Werk, das uns, wenn wir dafür offen sind, tiefer in Kontakt mit uns selbst und unserer Wahrheit bringen kann. Musik, so wie jeglicher kreativer Ausdruck, kann uns ein Spiegel sein.
So habe ich in King eben sofort genau die Facette herausgehört, die eine ganz elementare Ebene meines Seins und meiner Arbeit spiegelt, nämlich das Thema weibliche Selbstermächtigung. Ich hörte nicht das Zerrissene, nicht das Hadernde, was ja definitiv auch im Song ist, sondern eben vor allem das Kraftvolle, die Proklamation zum „King“. Noch heute geht es mir so, jedes Mal wenn ich den Song höre.
Mit meiner Interpretation, meinen Projektionen, meinen Gefühlen habe ich mir den Song zu eigen gemacht, ihn auf eine Art weitergewoben, mit meiner Bedeutung aufgeladen und ihn damit erst für mich bedeutsam gemacht. So ist für mich jedes kreative Werk lebendig und wir als Zuhörer:innen, Zuschauer:innen, Leser:innen sind keine stumpfen Konsument:innen, sondern kreative Wesen, die sich durch das Werk nicht nur selbst erkennen können, sondern auch neue Deutungen schaffen.
Kreativität ist keine Einbahnstraße, sondern ein Fluss, der ewig und in alle Richtungen des Lebens weiterfließt, wenn wir es zulassen.
Ich bin dankbar für herausragende Künstlerinnen wie Florence Welch, die es immer wieder schaffen, uns emotional in Schwingung zu bringen – und damit in Kontakt mit diesem wilden, kreativen Fluss des Lebens, der durch jede und jeden von uns fließen will.
King Florence and The Machine – hier kannst Du die 7 Tage 1 Song Folge hören
Hier kannst Du die mit Christophs Gedanken komplettierte Folge hören (wird von Spotify eingebunden):
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Beitrags- und Pinbild: Averie Woodard via unsplash.com
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